Tschuang-tse lebte im 3. Jahrhundert v. Chr. (ca. 365 v. Chr.-290 v. Chr.) in China. Die von ihm überlieferten Weisheitstexte hat der weltweit anerkannte spirituelle Meister und Religionsphilosoph Thomas Merton (1915–1968) unter dem Titel Sinfonie für einen Seevogel. Weisheitstexte des Tschuang-tse ausgewählt und neu erzählt. Besonders interessant erscheint mir der folgende Dialog.
Sternenlicht und Nicht-Sein
Sternenlicht fragte Nicht-Sein: "Meister, existierst du oder existierst du nicht?"
Sternenlicht bekam keine Antwort, deshalb machte es die Augen ganz weit auf und wartete darauf, dass Nicht-Sein sich den Blicken zeigte.
Sternenlicht spähte angestrengt in die tiefe Leere, in der Hoffnung, Nicht-Sein komme doch einmal zum Vorschein.
Sternenlicht wartete einen ganzen Tag lang, aber es war
nichts zu sehen. Sternenlicht horchte, aber man hörte keinen Laut. Sternenlicht
streckte die Hand aus, aber die griff ins Leere.
Am Ende rief
Sternenlicht: "Das ist ES!
Es ist doch das, was am weitesten weg ist!
Wer könnte es erreichen?
Die Abwesenheit des Seins kann ich begreifen,
doch wer begriffe die Abwesenheit des Nichts?
Wenn nun über alldem hier Nicht-Sein IST,
wer könnte es begreifen?"
Tschuang-tse: Sternenlicht und Nichtsein. In: Thomas
Merton: Sinfonie für einen Seevogel. Weisheitstexte des Tschuang-tse.
Freiburg im Breisgau u. a. (= Verlag Herder) 1996, S. 102.